MARTIN FORTER - GEOGRAF UND ALTLASTENEXPERTE

+++ 30. Oktober 2016 +++

Brandplatz Schweizerhalle 30 Jahre nach dem Inferno

Fragwürdige Legalisierung gescheiterter Aufräumarbeiten

SituationsbildDer Brandplatz der Sandoz in Schweizerhalle (BL): Eine Betonplatte deckt die Brandchemikalien zu. Foto: Martin Forter

Beim Brandplatz Schweizerhalle wurden die meisten der 1989 festgelegten Sanierungsziele nie erreicht. Trotzdem gibt es keine weiteren Aufräumarbeiten. Wie geht das? Indem eine damals an der verpatzten Sanierung beteilige Person rund 20 Jahre später für die Behörden eine neue Wegleitung verfasst. Sie bildet die Basis für einen neuen, jetzt 40'000 Mal höheren Grenzwert für ein Pestizid. Deshalb ist die misslungene Brandplatz-Sanierung jetzt plötzlich gesetzeskonform.

Der Kanton Basel-Landschaft verwässere beim Brandplatz Schweizerhalle die Sanierungsziele von 1989, da sie mit den von MBT Umwelttechnik durchgeführten Sanierungsarbeiten nie erreicht worden seien. Diesen Vorwurf wies Alberto Isenburg, Chef des Amts für Umweltschutz des Kantons Basel Land 2011 weit von sich: Sie müssten sich nicht an die damaligen Abmachungen, sondern «an die aktuellen Gesetze halten».  Weil die seit 1998 gültige Altlastenverordnung keinen Grenzwert für das Pestizid Oxadixyl enthalte, hätten sie einen Solchen festlegen müssen, rechtfertigte sich Isenburg gegenüber der Basellandschaftlichen Zeitung.

Zweifelhafte Darstellung der Baselbieter Behörden

Isenburgs damalige Aussage aber war falsch, wie Recherchen des Basler Altlastenexperten Dr. Martin Forter zeigen. Denn 2011 hat bereits ein Grenzwert gemäss Altlastenverordnung für Oxadixyl existiert. Er stammt aus der Fremd- und Inhaltsstoffverodnung (FIV) und betrug wie für alle Pestizide 0.1 Mikrogramm pro Liter Grundwasser (µg/l), wie Unterlagen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) von 2002 und von Chloronet 2009 bestätigen. Dieser Grenzwert entsprach zudem jenem Limit, das Sandoz 1989 mit dem Kanton vereinbart hatte. Er bildete eines von zwei Sanierungszielen, die nie eingehalten wurden. Exakt dieses Sanierungsziel allerdings hatten die Behörden im Baselbiet «vergessen». Erstaunlicherweise bestreiten sie zudem, dass es dieses Sanierungsziel gegeben habe. 

Da der Brandplatz Schweizerhalle in einer Grundwasserschutzzone liegt, müssen gemäss Altlastenverordnung der alte Grenzwert von 2002 von 0.1 µg/l und der neue Grenzwert von 4 Milligramm pro Liter 2011 halbiert werden. Überschreitet die gemessene Schadstoffkonzentration im Grundwasser am Rande der Deponie diesen halben Grenzwert so muss die Altlast saniert werden. Dies gilt seit 1998 eigentlich auch für den Brandplatz in Schweizerhalle, wo 30 Jahre nach dem Inferno von 1986 bei der Sandoz AG noch immer eine Deponie mit Brandchemikalien das Grundwasser stärker verschmutzt, als es die ursprünglich vereinbarten Sanierungsziele zulassen. Das gefährdet auch heute noch das Trinkwasser in den benachbarten Fassungen insbesondere der Gemeinde Muttenz aber auch der Hardwasser AG, woher über 230'000 Menschen ihr Trinkwasser beziehen.

40'000 Mal höherer Grenzwert

Die 2011 im Grundwasser bei der Schweizerhalle-Deponie gemessene Konzentration betrug 8 µg/l. Sie war somit 160 Mal höher als der alte halbe Grenzwert erlaubt. Das verwandelte der Neue, 40'000 Mal höhere Grenzwert von zwei Milligramm pro Liter in das Gegenteil: Jetzt lag die gemessene Konzentration plötzlich 250 Mal tiefer als zugelassen. Ein ähnliches Bild bietet sich auch 2015: Der alte Grenzwert ist 26 bis 134 Mal überschritten, der Neue aber rund 299 bis 1’538 unterschritten.

Wie ist das möglich? Christoph Munz hatte für die Sandoz-Tochter MBT Umwelttechnik AG u.a. die Sanierungsarbeiten teilweise geplant und durchgeführt. 25 Jahre später schreibt er im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) als Co-Autor eine neue Wegleitung. Sie bildet die Grundlage für den neuen, viel höheren Grenzwert von 2011, der die von der MBT Umwelttechnik verpatzte Brandplatzsanierung im Nachhinein legalisiert.

Aufräumen nach dem Gusto der Sandoz AG

MBT Umwelttechnik führte die Aufräumarbeiten damals in erster Linie nach den Vorstellungen ihrer Muttergesellschaft Sandoz AG durch: «Auf Behördenseite werden wir den Eindruck nicht los, dass MBT [Umwelttechnik] mit allen möglichen Mitteln versucht, das Ergebnis (...) so zurechtzubiegen, dass hinsichtlich Sanierung und Sanierungsaufwand keine neue Situation geschaffen» werde, ist z.B. in einem Protokoll von 1990 zu Lesen. Die Behörde beschuldigt MBT gar der «Manipulation».1 Zudem seien die Entnahme von Proben in gewissen Bereichen der schon längst zugeschütteten Brandplatz-Grube ungenügend gewesen, ist an anderer Stelle zu lesen. Wie «die Modellrechnungen» zeigten, antwortete Christoph Munz von MBT Umwelttechnik den Behörden, habe man «in gewissem Umfang» weniger Schadstoffe ausgraben können, «ohne das Sanierungsziel Grundwasserschutz» aufzuweichen. «Ebenso», so Munz weiter sollte damit «der bautechnische und somit finanzielle Aufwand in einem vertretbaren Rahmen» bleiben.2

Zu viel Gift im Boden belassen

Heute ist klar: MBT Umwelttechnik hat damals zu viele Schadstoffe im Boden belassen. Noch heute gelangt gemäss Angaben von Clariant eine sechs Mal grössere Menge des Pestizids Oxadixyl von der Brandplatz-Deponie ins Grundwasser als 1989 vereinbart. Auch die Vorgabe, dass im Grundwasser auf dem Fabrikgelände die Konzentration von Oxadixyl spätestens nach 20 Jahren unter dem FIV-Grenzwert von 0.1 µg/l liegen müsse , wurde nie erreicht.

Christoph Munz war wie erwähnt an der verpatzten Brandplatz-Sanierung beteiligt. Bei der Fusion der Sandoz AG und der Ciba-Geigy AG zur Novartis AG übernahm u. a. Munz per Managementbuyout 1995 die Sandoz-Tochter MBT-Umwelttechnik und führte sie als Mitbesitzer unter dem Namen BMG AG3 weiter. BMG und somit auch Munz erhielten von den Basler Chemie- und Pharmafirmen immer wieder den Auftrag, ihre Chemiemülldeponien und Altlasten auf den Fabrikgeländen zu untersuchen und zu bearbeiten. Dabei gerieten die Arbeiten vom BMG immer wieder in die Kritik.

Mit neuer Wegleitung den Brandplatz legalisiert

Es war u.a. dieser Christoph Munz von BMG, der für das Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine neue Wegleitung zur Herleitung von Grenzwerten bei Altlasten verfasste. Sie wurde 2013 publiziert. Dabei hatte BMG den bisherigen Grenzwert für Pestizide aus der FIV von 0.1 µg/l im Grundwasser bei Altlasten für ungültig erklärt. Munz und sein BMG-Co-Autor begründen dies so: «Bei den Trinkwasserwerten» handle es sich «immer um Vorsorgewerte. (...) Bis zu einem gewissen Grad» würden «bei solchen Vorsorgewerten auch vermutete schädliche Langzeitwirkungen mitberücksichtigt, deren Einfluss auf die menschliche Gesundheit noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen» sei. «Demgegenüber» würden Grenzwerte für das Grundwasser bei Altlasten «immer auf erhärteten, wissenschaftlich belegten Fakten» basieren. Sie seien «deshalb tendenziell höher als die vorsorgeorientierten Trinkwasserwerte», schreiben die Autoren Munz und sein BMG-Kollege.4 Tendenziell höher aber ist beschönigend, schnellt doch der Grenzwert für Oxadixyl deshalb 40'000-fach in die Höhe. Dieses Abwenden von der Gesundheitsvorsorge hat gerade auch bei der «Schweizerhalle»-Deponie negative Folgen. Denn die nächste Trinkwasserfassung liegt nur 220 Meter entfernt. Solch schädliche Auswirkungen für das Trinkwasser in Kauf zu nehmen – dazu war die Basler Industrie schon zuvor bereit.

Nicht erlaubte Trinkwasserverschmutzung in Kauf genommen

Die Grenz- und Toleranzwerte der FIV waren ihr schon lange ein Dorn im Auge: Schon 1989 forderte die Firma Sandoz bzw. ihre damalige Tochtergesellschaft MBT Umwelttechnik – die spätere BMG AG – von den Behörden des Kantons Basel-Landschaft eine Bewilligung, dass sie im Trinkwasser neben dem Brandplatz mehr Pestizide zulassen als gesetzlich erlaubt ist. Es ging ihnen dabei um teils sehr giftige Phosphorsäureester-Insektizide wie z.B. Disulfoton, Etrimphos, Thimeton und Parathion sowie um das Fungizid Oxadixyl5. Nach dem Grossbrand bei Sandoz am 1. November 1986 waren es vor allem diese Pestizide, die den Brandplatz massiv verschmutzten und das Trinkwasser in der benachbarten Muttenzer Hard gefährdeten. Sandoz und die spätere BMG AG aber wollten den Brandplatz so wenig aufräumen wie möglich. Sie liessen deshalb im September 1989 gegenüber den Behörden verlauten, der Toleranzwert pro Pestizid von 0,1 µg/l für Trinkwasser der FIV seien «willkürlich» festgelegt. Die Behörden hätten ihn mit dem Ziel fixiert, «dass Pestizide generell nicht ins Trinkwasser gehören», anstatt von «toxikologischen Überlegungen» auszugehen. Da die Grenzwerte nach Ansicht der Industrie «nicht primär zur Abwendung einer direkten Gesundheitsgefährdung» festgesetzt worden seien, könne «in Absprache mit den Behörden» ihre Überschreitung «durchaus vernünftig sein», solange dies «keine gesundheitliche Gefährdung» zur Folge habe, so u.a. die MBT Umwelttechnik im September 1989. Die Behörden des Kantons Basel-Landschaft wiesen dieses Ansinnen damals zurück.

Kantons- und Bundesbehörden eingeknickt

Mit derselben Begründung aber gelingt es der BMG AG bei den Deponien die Pestizid-Grenzwerte der FIV über Bord zu werfen und so die misslungene Sanierung des Brandplatzes Schweizerhalle zu legalisieren. Erstaunlich ist dabei: Das BAFU veröffentlichte die neue Wegleitung erst 2013. Im Baselbiet aber lag sie schon 2011 vor wie die Zeitung «Schweiz am Sonntag» heute berichtet. Dies spricht für ein intensives Lobbying, worauf das Baselbieter Umweltamt und das BAFU eingeknickt zu sein scheinen – auf Kosten der Trinkwassersicherheit in der ganzen Schweiz.

Martin Forter

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[1] Basel-Landschaft, Amt für Umweltschutz und Energie, Bendicht Hurni: Aktennotiz zum 10. Sabo (Sandoz-Boden)-Fachgespräch v. 6.11.1990 u. 12.11.1990, Liestal, 19.11.1990, S. 1f.

[2] Elektrowatt Ingenieurunternehmungen AG: Aktennotiz Nr. 62, betrifft: Sandoz AG, Werk Muttenz, Projekt Sabo (Sandoz-Boden), Bodensanierung, Informationssitzung AUE Kt. Baselland v. 18.5.1989, S. 8.

[3] BMG bedeutet André Bachmann, Christoph Munz, René Gälli. Die BMG AG wurde 2012 von der Arkadis-Gruppe übernommen (BMG: Geschichte, abrufbar unter: http://www.bmgeng.ch/index.php?p=2c&l=de [eingesehen 28.10.2016]).

[4] BMG AG, Christoph Munz u. Christian Niederer: Herleitung von Konzentrationswerten und Feststoff-Grenzwerten, begleitet und herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt (BAFU), Vollzugshilfe zur Altlasten-Verordnung (AltlV) und zur Technischen Verordnung über Abfälle (TVA), Bern, 2013, S. 14.

[5] Sandoz AG, Sparte Agro, Produktion, P. Gagnaux, H.P. Schelling an Kantonschemiker Strauss, Liestal: Schreiben betr. Grossbrand Schweizerhalle vom 1.11.2011, Basel, 17.11.1986, Anhang Schadenmeldung Bau 956 (= Lagerliste der abgebrannten Halle) v. 17.11.1986.

+++ 16. April 2014 +++

Giftiger Lindanabfall in Huningue

Bis der Wind die Zelte verweht?

UK 2013-10-26 18h33 loDas Lindanabfall-Gelände von Novartis in Huningue (F): Sita baut mit grossen Kränen Maschinen und Förderbänder ab.

Novartis und die Firma Sita Remidiation, die für den Konzern den Lindan-Abfall in Huningue ausgrub und dabei die Stadt mit Giftstaub überzog, haben sich überworfen. Jetzt baut Sita auf dem Gelände Maschinen ab. Wie es mit den Aushubarbeiten, weitergehen soll, ist unklar. Das birgt Risiken: Je länger die billigen Zelte stehen, desto grösser wird das Risiko, dass sie ein Sturm wegweht oder ein Gewitter die Giftgruben flutet. Deshalb fordert Forter Novartis auf, die Arbeiten unter verbesserten Sicherheitsbedingungen umgehend wieder aufzunehmen, wie die Sendung «Schweiz aktuell» des Schweizer Fernsehen SRF 1 heute berichtete.

Seit über einem halben Jahr stehen die Arbeiten zum Aushub des Lindanabfalls in Huningue (F) still. Der Basler Altlastenspezialist Martin Forter hatte nachgewiesen, dass Novartis bzw. Sita Remidiation mit den dilettantisch organisierten Grabungen die Stadt Basel mit giftigem Lindanabfall-Staub kontaminieren. Darauf stoppte Novartis die Arbeiten. Seitdem geht nichts mehr: «Sita baut die Maschinen ab», sagt eine Person aus dem Umfeld von Novartis. Letzteres ist auch via Webcam des Konzerns zu sehen: Auf dem Bild von gestern fehlen zahlreiche Förderbänder und Maschinen, die auf der Aufnahme vom 26. Oktober 2013 noch zu sehen sind.

Gefährliches Warten

Es war notwendig und konsequent, dass Novartis vor sechs Monaten die schlecht und gefährlich organisieren Aushubarbeiten gestoppt hat. Doch anstatt mit neuem Sicherheitskonzept später die Aushubarbeiten wieder aufzunehmen, verkommt der Baustopp nun zum langfristigen Provisorium. Das ist risikoreich. Denn: Je länger die Billigzelte über den geöffneten Giftgruben mit Lindanabfall stehen, desto eher weht sie ein Sturm weg. Das wäre gefährlich. Dann würde der Wind direkt in den Giftstaub blasen und ihn noch viel stärker über Basel bzw. die Gemeinde Huningue tragen als schon geschehen.

Zudem besteht das Risiko, dass z. B. Regenwasser die offenen Giftmulden flutet. Dies würde das Grundwasser verschmutzen und könnte den Rhein verunreinigen.

Arbeiten auf höherem Sicherheitsniveau sofort wieder aufnehmen

«Ob verwehte Zelte oder Wasser, das in die Giftgruben läuft: Beides gilt es zu verhindern. Deshalb fordere ich Novartis auf, die Aushubarbeiten in Huningue schleunigst auf höherem Sicherheitsniveau wieder aufzunehmen», verlangt Forter. Novartis habe ein halbes Jahr Zeit gehabt, neu und sicherer zu planen. «Es ist eigentlich keine besondere Kunst, eine solche Giftgrube sauber und ohne Giftstaubwolken auszuheben. Dass auch Novartis das kann, soll sie endlich beweisen – und damit die von den Billigzelten ausgehenden Gefahren von der Bevölkerung schleunigst abwenden.»

Keine Lehren gezogen

Die Industrie hat gemäss Forter aus dem Sanierungsdebakel in Huningue keine Lehren gezogen. Dies zeige das Konzept zur Teilsanierung der Chemiemülldeponie Feldreben in Muttenz (BL) u.a. von Novartis, BASF und Syngenta: «Bezüglich Sicherheit und Arbeitshygiene ist das Feldreben-Projekt auf ähnlich schlechtem Niveau wie das für den Lindanabfall von Novartis und Sita in Huningue es war. Die Stellungsnahme des Amts für Umweltschutz des Kantons Basel-Landschaft von heute betreffend Muttenz bestätigt dies», betont Forter.

Kontakt:

Martin Forter, Dr. Geograf und Altlastenexperte
061 691 55 83

 

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+++ 25. September 2013 +++

Giftiger Lindan- und Lindanabfallstaub in der Basler Luft

Messergebnisse zeigen: Novartis kontaminiert die Stadt grossflächig

Karte mit MessresultatenSeit Monaten tritt hier Giftstaub aus - Sanierungsgelände von Novartis in Huningue (F). Foto Dave Joss

Novartis lässt die Basler Bevölkerung gefährlichen Giftstaub atmen: Bis zu 94 Mikrogramm des verbotenen Insektizids Lindan sowie von Lindan-Abfallstaub gingen von Ende August bis Anfangs September 2013 im unteren Kleinbasel nieder. Der Staub, der als «giftig beim Einatmen» beurteilt wird, lag selbst bei der Mittleren Brücke im Zentrum Basels in der Luft. Dies zeigen die Analysen von Staubfängern, die der Altlastensspezialist Martin Forter an sechs Standorten in der Stadt Basel aufgestellt hatte. Das verbotene Gift in der Basler Luft stammt von einem Novartis-Sanierungsgelände in Huningue (F). Novartis aber will dort nur eine «Eindämmung der Staubemissionen» erreichen. Deshalb fordern die beiden GrossrätInnen Heidi Mück (Basta) und Daniel Goepfert (SP) von Novartis einen Baustopp. Denn die Giftstaub- Emissionen gefährden auch das Trinkwassergebiet in den «Lange Erlen».

Das Amt für Umweltschutz Basel-Stadt (AUE) Basel-Stadt und das Lufthygieneamt beider Basel (LHA) waren vom Novartis-Giftstaub aus Huningue (F) überrascht. Noch anfangs September liess AUE-Chef Jürg Hofer mitteilen: «Bis jetzt haben wir keine konkreten Hinweise auf Staubemissionen». Woher sollen sie auch kommen, die konkreten Hinweise, wenn es beide Ämter die letzten Monate verpasst haben, eine Kontrolle der Basler Luft auf Giftstaub aus Huningue durchzuführen? Darum verfügen die Behörden heute über keinerlei Messungen zur Belastung der Luft mit Lindan- und Lindan-Abfallstaub der letzten Wochen und Monate. Dieser Mangel hinderte das AUE allerdings nicht daran, Entwarnung zu geben. Dazu mussten zwar im Moment nicht relevante Bodenwerte herhalten. Aber der Trick wirkte. Am nächsten Tag titelte «20 Minuten» Basel prompt: «Giftgruben-Staub ist ungefährlich». Davon aber kann keine Rede sein, wie Messungen des Staubniederschlags des Basler Altlastenspezialisten Dr. Martin Forter zeigen, die er heute auf www.martinforter.ch veröffentlicht hat.

In 20 Tagen bis zu 96 Mikrogramm Giftstaub-Niederschlag pro Quadratmeter

Forter, der anfangs September auf mögliche Staubemmissionen von Novartis in Huningue hinwies, hat sechs Staubfänger aufgestellt. Damit hat er von Mitte August bis anfangs September den Lindan und Lindan-Abfall-Niederschlag aus der Basler Luft gemessen. So gingen im Basler Quartier Klybeck im Staubfänger bei der Marina-Bar an der Uferstrasse in 20 Tagen 94 Mikrogramm Lindan- und Lindan-Abfallstaub nieder. Dies bei einer Distanz zum Novartis-Sanierungsgelände in Huningue von rund 450 Metern. Auf einer Fensterbank im zweiten Stock eines Wohnhauses am Altrheinweg im Kleinbasler Stadteil Klybeck hat Forter in 21 Tagen einen Gift-Niederschlag von 20 Mikrogramm pro Quadratmeter gemessen (vgl. Grafik).

Novartis kontaminiert die Basler Luft grossräumig

Doch damit nicht genug: Novartis kontaminiert die Basler Luft grossräumig. Dies zeigt eine Staubfalle, die Forter im Zentrum der Stadt Basel bei der Mittleren Brücke aufgestellt hat. Auch darin fand das Labor abl analytics in Neuenburg zwei Mikrogramm Lindanabfall-Staub pro Quadratmeter. Dies, obwohl die Distanz zum Sanierungsgelände von Novartis in Huningue über 1’900 Meter beträgt. «Staubaustritte zu verhindern ist in der Regel technisch gut machbar. Darum sind die Austritte von Giftstaub in Huningue für Novartis so peinlich», sagt Martin Forter.

Was geschieht beim Einatmen der Giftstäube?

Lindan und Lindanabfall (HCH) sind sehr giftig. Sie werden über den Mund (verschlucken, via Nahrung), die Atemluft und durch die Haut aufgenommen. Sie reichern sich vor allem im Fett an und gelangen u.a. via die Muttermilch stillender Mütter in den sensiblen Organismus des Säuglings. Deshalb ist die Herstellung und der Vertrieb von Lindan in Europa seit langem und per UNO-Konvention seit 2010 verboten (vgl. Kasten unten).

Lindan und Lindan-Abfall: Das Gift Hexachlorcyclohexan (HCH) und seine Wirkung

MFo Hexachlorcyclohexan (HCH, C6H6Cl6) ist ein gelblich-weisses Pulver. Es besteht aus verschiedenen, sogenannten Isomeren (z.B. alpha-, beta-, delta-, epsilon- und gamma-HCH). Das gamma-Isomer – auch Lindan genannt – hat als einziges die Eigenschaft, Insekten zu töten. Doch bei der Produktion entstehen nur 20% Lindan. Die restlichen 80% bilden den HCH-Abfall. Er stinkt sehr stark. Jedes der HCH-Isomere hat unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften und damit auch andere toxikologische Wirkung auf Mensch und Tier. Diese lässt sich wie folgt verallgemeinern:

Anreicherung über die Nahrungskette/Muttermilch:

Die verschiedenen Isomere des Hexachlorcyclohexans (HCH) reichern sich im tierischen und menschlichen Körper an, vor allem im Fettgewebe, im Blut, der Leber und der Niere. Frauen scheiden HCH auch über die Muttermilch wieder aus und geben es so an den Säugling weiter . Am meisten reichert sich der beta-Isomer des HCHs an.

Toxizität:

Allergien, Hautreizungen, Erbrechen, Muskelkrämpfe, Zittern, Schlaflosigkeit, Schädigung des Zentralnervensystems, Fehlgeburten oder Frühgeburten, teils neurologische Ausfälle.

Krebs:

Beim Tier gelten die Isomere des HCH als krebsfördernd. Die Internationale Krebsagentur (IARC) stuft alpha-, beta- und gamma-HCH (= Lindan) als beim Menschen möglicherweise krebsfördernd ein (Stufe 2b). Lindan wird u.a. mit Leber- und Brustkrebs in Verbindung gebracht.

Hormonaktivität:

Die Europäische Union (EU) klassiert alle Isomere des HCH als hormonaktiv (Kategorie I). Das heisst: HCH wirkt im tierischen und menschlichen Organismus wie ein Hormon und bringt – vereinfacht gesagt – den Hormonhaushalt durcheinander. Dies kann die Fortpflanzung beeinträchtigen.

HCH gilt als Bienen-, Vogel- und Fischgift.

HCH und auch das Insektizid Lindan sind in den Industrieländern seit langem verboten

Was aber geschieht, wenn Lindan und Lindanabfall eingeatmet werden? Eine Antwort darauf zu geben ist schwierig, da Inhalations-Studien weitgehend fehlen, wie die «Stockholm Konvention über persistente, oranische Schadstoffe» (POPs-Konvention) der UNO und das US-Gesundheitsministerium übereinstimmend festhalten.1

Giftstaub ist gefährlich

Dazu John Vijgen, Direktor der «International HCH & Pesticides Association» (IHPA) in Dänemark, der selber Erfahrung in der Altlastensanierung hat: «Auch wenn Studien über das Einatmen solcher Stäube weitgehend fehlen: Die Aufnahme von Lindan und Lindan-Abfall-Staub über die Lunge ist aus toxikologischer Sicht gefährlich. Bei Sanierungsarbeiten sollte der Austritt dieser Stäube sofort unterbunden werden.»

«Es ist ein Skandal, dass es von demselben Gelände in Hunigue erneut zu einer Kontamination der Region mit Lindan und Lindanabfall kommt», sagt auch Martin Schüpbach.

Kuhmilch vernichtet und Empfehlung, nicht zu stillen

Schüpbach hat sich in seiner Funktion als Kantonschemiker des Kantons Basel-Stadt 1972 öffentlich gegen den Lindan-Abfall gewehrt, den der Wind schon damals aus Huningue (F) in die Region verfrachtete – mit massiven Folgen: «Wir mussten u.a. im Bäumlihof, in Riehen und in Bettingen die Kuhmilch vernichten lassen, weil sie so belastet war», erinnert sich Schüpbach. Er und die deutschen Behörden haben Mütter sogar dazu aufgefordert, das Stillen von Säuglingen abzubrechen. Auch Schüpbach ist damals wie heute der Ansicht, die Staubemissionen müssten sofort gestoppt werden.

Trinkwasserfassungen «Lange Erlen» erneut gefährdet

Zu Beginn der 1970er-Jahre trug der Wind den Giftstaub aus Huningue insbesondere auch in die «Lange Erlen», wie Berichte von damals zeigen. Von dort bezieht die Stadt Basel einen grossen Teil ihres Trinkwassers. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch heute Lindan und Lindan-Abfall-Staub in das Trinkwassergebiet gelangt sind bzw. noch immer dorhin verfrachtet werden.

Sofortiger Baustopp gefordert

Die Basler Grossrätin Heidi Mück (Basta) und der SP-Grossrat Daniel Goepfert fordern von Novartis einen sofortigen Baustopp bis der Konzern garantieren kann, dass es bei den Arbeiten nicht mehr zu Staubaustritten kommt. Mück, die im Unteren Kleinbasel wohnt: «Die Menschen in meinem Quartier wollen diesen Giftstaub nicht einatmen.» Und der SP-Grossrat Daniel Goepfert ergänzt: «Solcher Giftstaub in der Basler Luft ist nicht akzeptabel.»

Martin Forter

Kontakt:

Dr. Martin Forter, Geograf und Altlastenexperte, Basel
Heidi Mück, Grossrätin Basta
Daniel Goepfert, Grossrat SP
John Vijgen, Direktor der «International HCH & Pesticides Association» (IHPA), Dänemark
061 691 55 83
078 717 34 62
079 303 78 03
0045 4 541 03 21

 

Bildmaterial (klicken zum vergrössern)

Karte von 1972 Niederschlag von Lindan- und Lindan-Abfall-Staub in Basel von Mitte August bis Anfangs September 2013 (Analyseergebnisse Martin Forter). Karte von 1972 Niederschläge von Lindan- und Lindan-Abfallstaub von August bis Dezember 1972, erfasst vom Kantonalen Laboratorium Basel-Stadt. Die konkreten Messresultate von damals finden Sie HIER Bild einer Staubfalle Staubfalle Nr. 1 von Martin Forter an der Uferstrasse in Basel. Im Hintergrund die Quelle für den Giftstaub, das Sanierungsgelände der Novartis in Huningue (F). Foto: Harald Friedl Karte mit MessresultatenQuelle des Giftstaubs in der Basler Luft - Sanierungsgelände von Novartis in Huningue (F) - Foto Dave Joss

 

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1 U.S Department of Health and Human Services, Public Health Service Agency for Toxic Substances and Disease Registry: Toxicological profile for alpha-, beta, gamma- and delta Hexachlorcycloheaxane, 8.2005; Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, Persistent Organic Pollutants Review Committee (POPRC): Draft risk profile for alpha-Hexachlorocyclohexane, 5.2007; Draft risk profile for beta-Hexachlorocyclohexane, 5.2007.

 

+++ 16. September 2013 +++

Medienmitteilung vom 16. September 2013

Lindan-Abfallstaub in der Basler Luft nachgewiesen

Die Gefahr liegt beim Einatmen

Situations-FotoQuelle des Giftstaubs in der Basler Luft: Die Zelte von Novartis in Huningue (F). Foto: Dave Joss

In der Basler Luft liegt hochgiftiger Lindan-Abfall-Staub (chemisch: HCH). Dies gab heute das Amt für Umweltschutz des Kantons Basel-Stadt (AUE) bekannt. Damit bestätigt das AUE, was der Basler Altlastenexperte Martin Forter vor zehn Tagen publik gemacht hat: Flattern die günstigen Sanierungs-Zelte von Novartis in Huningue (F) im Wind, so stinkt es nicht nur im Kleinbasel, sondern es besteht auch das Risiko, dass der Wind Lindan-Abfall-Staub verfrachtet. Erst nach diesem Warnhinweis begann Basel-Stadt zu messen und hat jetzt Niederschläge von Lindan-Abfall nachgewiesen. Am gefährlichsten ist aber, wovon das AUE nichts schreibt: Das Risiko liegt in der Luft, wenn die Menschen den Lindan-Abfall-Staub einatmen.

Es stinkt im Kleinbasel nach Lindan-Abfall. Und es besteht die Gefahr, dass der Wind Lindan-Abfall-Staub verfrachtet, wenn er durch die günstigen Novartis-Zelte über den Gift-Gruben in Huningue zieht. Dies liess der Basler Altlastenexperte Martin Forter vor zehn Tagen verlauten. Jürg Hofer, Chef des Amts für Umweltschutz des Kantons Basel-Stadt sagte damals gegenüber Onlinereports dazu: «Wenn wir einen Staub-Niederschlag haben, wird es heiklel.» Danach begann die Behörde zu messen. Jetzt ist es «heikel». Denn heute gab sein Amt bekannt, dass es solche hochgiftigen Staubniederschläge auf Basler Boden gemessen hat.

Und das Einatmen?

Den heikelsten Punkt aber erwähnt die Basler Umweltbehörde nicht einmal: Da es nachweislich Staubniederschläge aus Lindan-Abfall gibt, muss dieser Staub auch in der Luft liegen. Somit atmen ihn die Menschen ein. Welche Konsequenzen hat es, wenn die Menschen in den Basler Quartieren St. Johann, Kleinhüningen und Klybeck sowie in der französischen Grenzgemeinde Huningue Spuren von hochgiftigem Lindan-Abfall-Staub einatmen? Dazu schreibt das AUE nichts.

Günstige Novartis-Flatterzelte nicht auch Gift-Staub-Quelle?

Anstatt den gefährlichen Staub in der Basler Luft zu erwähnen, nehmen die Basler Behörden in ihrer Medienmitteilung Novartis in Schutz: Die Basler Ämter und die zuständige französische Behörde DREAL seien sich einig, dass die Stäube «kaum aus den Novartis-Zelten entweichen» würden, in denen die Aushubarbeiten stattfinden. Die Quelle liege eher beim Verlad von relativ schwach kontaminiertem Material auf Schiffe, deren Laderaum während des Verladevorgangs offen ist, wie der Autor ebenfalls vor 10 Tagen publik machte. Diese Einschätzung der beiden Behörden ist angesichts der flatternden und sich bei Wind aufblähenden Novartis-Zelte, wie sie Videos zeigen, eine gewagte Behauptung. Denn klar ist: Würde Novartis den Lindan-Abfall in Huningue unter teure Hallen anstatt günstigen Zelten ausgraben, würde in Basel kein hochgiftiger Lindan-Abfall-Staub eingeatmet bzw. niedergehen und es würde im Kleinbasel nicht nach Lindan-Abfall stinken. Müffeln tut es im Kleinbasel übrigens auch nachts, wenn kein Schiff beladen wird, aber in Huningue die Novartis-Zelte im Winde flattern.

Dritte Lindan-Abfall-Verseuchung der Region durch Novartis sofort stoppen

Es ist nun also das dritte Mal, das der Lindan-Abfall in Huningue Teile der Region Basel kontaminiert. Dass es Novartis bei diesen an und für sich positiven Arbeiten soweit kommen liess, zeugt von einer riskanten Fehleinschätzung. Vom Pharmakonzern darf erwartet werden, dass er den Austritt von hochgiftigem Lindan-Abfall-Staub in Huningue zum Schutze der Basler und Elsässer Bevölkerung sofort stoppt.

Martin Forter

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+++ 5. September 2013 +++

Medienmitteilung vom 5. September 2013

Lindan-Abfall-Aushub in Huningue (F):

Novartis-Gestank im Unteren Kleinbasel

Foto mit Bergen von Giftabfall Das Ugine-Kuhlmann Gelände in Huningue (F) am 2.11.1972. Die weissen Berge bestehen hochgiftigem Lindan-Abfall. Foto: Unbekannt

Seit Monaten stinkt es im Kleinbasel zwischen Dreirosenbrücke und Rheinhafen immer wieder penetrant. Die Ursache liegt auf der anderen Rheinseite in Huningue (F). Dort gräbt Novartis seit Juli 2013 hochgiftigen Lindan-Abfall aus. Zwar stehen die Zelte über der Giftgrube unter Unterdruck, um Gestanks- und Gift-Austritte zu verhindern. Aber: Bei Wind flattern die Wände und die Zelte blähen sie sich zum Teil auf, wie von Martin Forter heute veröffentlichte Videos zeigen. Geschieht dies, dann stinkt es in der Regel im Kleinbasel heftig. Dann besteht auch das Risiko, dass der Wind hochgiftigen Lindan-Abfall-Staub in den Zelten aufwirbelt und ins Kleinbasel verfrachtet. Gestank und die Gefahr von Giftstaub-Emissionen hätte Novartis wohl mit teuren Hallen anstatt günstigen Zelten verhindern können.

Es ist positiv, dass Novartis die Tausenden von Tonnen des hochgiftigen Lindan-Abfalls (chemisch: HCH) in Huningue (F) ausgräbt. Wie sie dies allerdings in Zusammenarbeit mit der Firma Sita-Remediation tut, ist weniger erfreulich: Seit dem Beginn der links-rheinischen Gift-Grabungen im Juli 2013 stinkt es rechtsrheinisch im Unteren Kleinbasel (Quartiere Klybeck und Kleinhünigen) immer wieder penetrant nach Lindan-Abfall. Schon vor Wochen hat der Autor Novartis über den unverkennbaren Gestank im Kleinbasel informiert. Gleiches taten Anwohner gegenüber dem Lufthygieneamt beider Basel. Doch geschehen ist nichts. Noch immer stinkt es im Unteren Kleinbasel heftig nach Lindan-Abfall. So etwa am letzten Samstag in der Klybeckstrasse. Ein Anwohner: «Es hat extrem modrig und ‚niechtelnd’ gestunken, wie seit Monaten immer wieder». Daraufhin hat er die Alarmzentrale von Novartis angerufen. Die Mitarbeiter des Pharmakonzerns bestätigten den Geruch, wie es Novartis auch schon vor Wochen gegenüber dem Autor getan hat. Doch geändert hat sich nichts.

Günstige Zelte anstatt teure Hallen

Den Gestank zu beseitigen dürfte für den Pharmakonzern zum jetztigen Zeitpunkt nicht einfach sein. Anstatt teure und riesige Hallen wie im jurassischen Bonfol (JU) oder in Kölliken (AG) zu bauen (vgl. Foto), liess Novartis in Huningue grosse günstige Zelte über den Gift-Gruben errichten, um sie auszugraben. Zwar soll auch in den Zelten ein künstlich erzeugter Unterdruck Gestanks- und Gift-Austritte verhindern. Aber: Bei Wind flattern die Zeltwände teils stark und ab und zu blähen sich Zelte auf, wie mehrere Videos dokumentieren, die der Basler Altlastenexperte Martin Forter heute veröffentlicht hat. Bläst der Wind in die Zelte, beginnt es im Kleinbasel meistens zu stinken. Dazu ein erfahrener Deponie-Sanierer, der anonym bleiben will: «Diese Erfahrung, dass der Wind den Unterdruck in Zelten aufhebt und es zu Emissionen kommt, habe ich vor Jahren auch schon selber gemacht. Das Problem müsste also auch Novartis bekannt sein.» Fotograf Dave Joss filmte den Verlad auf Schiff (vgl. Video): «Die Schiffsbunker waren vollständig offen und es kam eine Gestankswolke über den Rhein», berichtet er. Aufgewirbelter Staub sei während des Verlads aber keiner Sichtbar gewesen.

Gefährlicher Lindan-Abfall-Staub

Der Gestank ist sehr unangenehm. Gefährlich aber ist der Lindan-Abfall-Staub. Er sollte keinesfalls aus den Zelten ausgetragen werden. Diese Gefahr besteht aber, wenn der Wind in die Novartis-Zelte in Huningue bläst. Dann existiert das Risiko, dass hochgiftiger Lindan-Abfall-Staub aufgewirbelt und mit dem Wind z.B. in’s Kleinbasel verfrachtet wird. Das ist problematisch. Denn: Das seit langem verbotene Insektizid Lindan und der bei der Produktion entstehende Abfall gelten als Substanzen, die im Menschen wie Hormone wirken. Sie reichern sich zudem im Fettgewebe von Mensch und Tier an. Per Muttermilch werden diese Substanzen später an den Säugling weiter gegeben. Diese Stoffe stehen ausserdem im Verdacht, Krebs auszulösen.

Vergiftete Kuhmilch und nicht mehr stillen

Lindan-Abfallstaub aus Huningue hat in der Vergangenheit schon zwei Mal die Region kontaminiert: Die Firma Ugine-Kuhlmann, die in dort bis 1974 Lindan herstellte, lagerte zu Beginn der 1970er-Jahre tonnenweise Lindanabfall als grosse weisse Haufen offen und unverpackt unter freiem Himmel auf ihrem Fabrikareal (vgl. Foto). Der Wind verwehte den Gift-Staub über die Grenzen in die Region. In Riehen (CH), Weil-am-Rhein, Haltingen und Merkt (D) durfte die Kuhmilch nicht mehr getrunken werden, weil sie so stark mit Lindan und Lindan-Abfall kontaminiert war. Seitdem gibt es in Weil-am-Rhein (D) keine Kühe mehr. Sie wurden damals alle notgeschlachtet. In einigen Deutschen Grenzgemeinden forderten damals die Behörden zudem die Mütter auf, ihre Säuglinge nicht mehr zu stillen.

Mit Beton vermischt und vergraben

Unter Druck geraten, begann Ugine-Kuhlmann um 1972 auf ihrem Gelände ein Loch auszugraben. Der Kies, den sie dabei aus dem Boden holte, war mit Lindan-Abfall kontaminiert. Er findet sich heute teilweise auf Feldwegen in Hagenthal-leBas und Hagenthal-le-Haut (F). Die ausgehobene Grube auf dem Fabrikgelände in Huningue füllte Ugine-Kuhlmann danach ohne Bewilligung mit einem Gemisch aus Beton und Lindan-Abfall auf – auch noch, nachdem die Basler Chemiefirma Sandoz das Kuhlmann-Gelände gekauft hatte, um darauf ihre Kläranlage namens STEIH zu bauen. Ob der Beton den Lindan-Abfall bindet, wurde zu Beginn der 1970er-Jahre auf einem Feldweg beim Klepferhof in Hagenthal-le-Bas (F) getestet. Obwohl die französischen Behörden seit 40 Jahren vom Gift unter freiem Himmel in Hagenthal wissen, liegt es noch immer auf dem Feldweg.

Lindan-Abfall-Emissionen beim Bau der Sandoz-Kläranlage

1978 beginnt Sandoz auf dem ehemaligen Ugine-Kuhlmann-Areal mit den Aushubarbeiten für den Bau ihrer Kläranalge STEIH. Im April 1978 schreibt der Basler Kantonschemiker Martin Schüpbach der Sandoz AG Basel: Der Niederschlag von Lindan-Abfallstaub aus der Luft habe beim heute nicht mehr existierende Zollamt Hüningerstrasse «wieder das gleiche, sehr hohe Mass erreicht» wie zu Beginn der 1970er-Jahre, als die Kuhmilch nicht mehr getrunken werden durfte. Das Kantonale Laboratorium verfolge deshalb 1978 die Aushubarbeiten auf dem Gelände mit Besorgnis. Es bestehe erneut die Gefahr, dass der Wind Lindan-Abfall in die Region verfrachte.

Durch Fusion heute Besitz von Novartis

Sandoz fusioniert 1996 mit Ciba-Geigy zu Novartis. Deshalb gehört ihr heute die Kläranlage STEIH grösstenteils, die Sandoz auf HCH-Abfall gebaut hatte. Da Novartis sie nicht mehr braucht, reisst sie diese ab, gräbt den Lindan-Abfall aus und vernichtet ihn in Sondermüllanlagen. Von Novartis darf erwartet werden, dass der Gestank im Kleinbasel aufhört und diese an sich positiven Arbeiten nicht zu einer dritten Kontamination der Umgebung mit Lindan-Abfall führen.

Martin Forter

Video 1
Verlad
Flatternde Zelte

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+++ 2. Mai 2017 +++

Hochgiftiger Lindan-Abfall in Hagenthal-le-Bas (F):

Feldweg nach schlampigen Sanierungsarbeiten noch immer stark kontaminiert

SituationsbildNach der verpatzten Sanierung des Feldwegs in Hagenthal-le-Bas (F): Noch immer Betonbrocken, die mit bis zu 126'500 Mikrogramm Lindan-Abfall pro Kilogramm belastet sind. Fotos: Pingwin Planet

Bis zu 126'500 Mikrogramm Lindan-Abfall pro Kilogramm: So viel Gift hat ein Labor noch immer in Proben vom Feldweg in Hagenthal-le-Bas (F) nachgewiesen, die der Basler Altlastenspezialist Martin Forter und die Umweltorganisation Pingwin Planet nach den vermeintlichen Sanierungsarbeiten anfangs März 2017 genommen haben. Die Analyseresultate zeigen: Die von der Préfecture des Département du Haut-Rhin sowie dem Umweltministerium in Paris gutgeheissene Billigsanierung ist gescheitert. Forter und Pingwin Planet fordern eine sofortige Sicherung des Weges und eine Nachsanierung.

Sechs Jahre haben sich die Préfecture bzw. das Umweltministerium in Paris Zeit gelassen – nachdem Pingwin Planet und der Altlastenexperte Martin Forter an einer Medienkonferenz 2011 auf die Kontaminationen aufmerksam gemacht hatten. Dann sind anfangs März 2017 auf dem Feldweg beim Klepferhof in Hagenthal-le-Bas (F) die Bagger aufgefahren, um eine Billigsanierung ohne Zelt und mit einem fragwürdigen Schutz der Arbeiter durchzuführen. Doch immerhin: Das hochkonzentrierte Gift sollte ausgegraben werden, versprach die Préfecture. Davon aber kann keine Rede sein, wie neue Analysen von Pingwin Planet und Martin Forter zeigen. Noch immer bis zu 126'500 Mikrogramm hochgiftigen Lindan-Abfall1 pro Kilogramm hat das Labor in den vier Beton-Proben aus dem vermeintlich neuen Belag auf dem Feldweg festgestellt. Zudem liegt vor Ort weiterhin der typische modrige Gestank von Lindan-Abfall in der Luft. Mit anderen Worten: Auch nach den angeblichen Sanierungsarbeiten bleibt der Feldweg stark mit Gift kontaminiert. «Das ist skandalös – es lagen alle nötigen Informationen für eine taugliche Sanierung auf dem Tisch», sagt Lorenz Hirni, Co-Präsident von Pingwin Planet. Das Gift stammt aus der Fabrik Ugine Kuhlmann in Huningue (FR), die bis 1976 das heute verbotene Insektizid Lindan hergestellt hat.

Gefährlicher als vor den Sanierungsarbeiten

Die Situation auf dem Feldweg beim Klepferhof in Hagenthal-le-Bas ist nach den verpatzten Sanierungsarbeiten noch gefährlicher als vorher: Jetzt liegt der hochgiftige Lindan-Abfall wieder offen und frei zugänglich auf dem angeblich gerade aufgeräumten Feldweg herum.
Schon 2011 bestand kein Zweifel, dass dem Beton, der zu Beginn der 1970er-Jahre auf dem Feldweg aufgebracht wurde, reiner, hochgiftiger Lindan-Abfall beigemischt worden war. Deshalb sollte die Sanierungsfirma auf dem Feldweg in erster Linie den stark kontaminierte Beton ausgraben und durch sauberes Material ersetzen. Das aber scheint nicht wirklich geschehen zu sein. Denn: Alle vier Betonproben, die Martin Forter im Auftrag von Pingwin Planet nach dem Bodenaustausch aus diesem angeblich jetzt sauberen Feldweg entnommen hat, sind z.T. stark mit Lindan-Abfall belastet2. Erstaunlich auch: Am Wegrand liegen viele alte Betonbrocken, die zum Teil mit Lindan-Abfall belasteten sein dürften – ganz so, als ob sie jemand aussortiert und dort abgelegt hätte.

Lindan und Lindan-Abfall: Das Gift Hexachlorcyclohexan (HCH) und seine Wirkung

MFo/PP Hexachlorcyclohexan (HCH, C6H6Cl6) ist ein gelblich-weisses Pulver. Es besteht aus verschiedenen, sogenannten Isomeren (z.B. alpha-, beta-, delta-, epsilon- und gamma-HCH). Das gamma-Isomer – auch Lindan genannt – hat als einziges die Eigenschaft, Insekten zu töten. Doch bei der Produktion entstehen nur 20% Lindan. Die restlichen 80% bilden den HCH-Abfall. Er stinkt sehr stark. Jedes der HCH-Isomere hat unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften und damit auch andere toxikologische Wirkung auf Mensch und Tier. Diese lässt sich wie folgt verallgemeinern:

Anreicherung über die Nahrungskette/Muttermilch:

Die verschiedenen Isomere des Hexachlorcyclohexans (HCH) reichern sich im tierischen und menschlichen Körper an, vor allem im Fettgewebe, im Blut, der Leber und der Niere. Frauen scheiden HCH auch über die Muttermilch wieder aus und geben es so an den Säugling weiter. Am meisten reichert sich der beta-Isomer des HCHs an.

Toxizität:

Allergien, Hautreizungen, Erbrechen, Muskelkrämpfe, Zittern, Schlaflosigkeit, Schädigung des Zentralnervensystems, Fehlgeburten oder Frühgeburten, teils neurologische Ausfälle.

Krebs:

Beim Tier gelten die Isomere des HCH als krebsfördernd. Die Internationale Krebsagentur (IARC) stuft gamma-HCH (= Lindan) als krebsfördernd beim Menschen (Klasse 1) und die anderen HCH-Isomere als beim Menschen möglicherweise krebsfördernd ein (Stufe 2b). Lindan wird u.a. mit Leber- und Brustkrebs in Verbindung gebracht.

Hormonaktivität:

Die Europäische Union (EU) klassiert alle Isomere des HCH als hormonaktiv (Kategorie I). Das heisst: HCH wirkt im tierischen und menschlichen Organismus wie ein Hormon und bringt – vereinfacht gesagt – den Hormonhaushalt durcheinander. Dies kann die Fortpflanzung beeinträchtigen.

HCH gilt als Bienen-, Vogel- und Fischgift.

HCH und auch das Insektizid Lindan sind in den Industrieländern seit langem verboten

Préfecture immer wieder überfordert

Die Behörden waren in Hagenthal-le-Bas offensichtlich nicht in der Lage zu kontrollieren, ob die Arbeiten korrekt und sauber ausgeführt wurden. «Das ist nicht das erste Mal. Die Préfecture bzw- das Umweltministerium in Paris scheinen bei der Einschätzung der Risiken und z.T. auch die ADEME3 bei der Überwachung und der Erfolgskontrolle von Sanierungsarbeiten immer wieder überfordert zu sein», bilanziert der Altlastenexperte Martin Forter: «Das muss sich dringend ändern». So habe die Préfecture z.B. 2013 nicht bemerkt, dass der Schweizer Pharmakonzern Novartis und die französische Sanierungsfirma Sita Remidiation mit dem Aushub von Lindan-Abfall in Huningue (F) die benachbarte Stadt Basel (CH) mit giftigem Staub grossflächig kontaminierten.

Pingwin Planet und Martin Forter fordern:

  • Sofortige Sperrung und Sicherung des untauglich sanierten, aber noch immer stark mit Lindanabfall kontaminierten Feldwegs beim Klepferhof in Hagenthal-le-Bas.
  • Offenlegung der Entsorgungsnachweise für das anfangs März ausgehobene Material.
  • Restlose Entfernung des kontaminierten Betons mit entsprechenden Sicherheitsmassnahmen zum Schutze von ArbeiterInnen, AnwohnerInnen und der Umwelt.
  • Verzicht auf das Überziehen mit Beton anderer Feldwege und Plätze in Hagenthal-le-Bas und Hagenthal-le-Haut, die mit Lindan-Abfall verunreinigt sind.
  • Vollständige Dekontamination der zahlreichen mit Lindan-Abfall verunreinigten Plätze und Feldwege in Hagenthal-le-Bas und in Hagenthal-le-Haut.

Kontakt:

Martin Forter, Dr. Geograf und Altlastenspezialist
Lorenz Hirni, Co-Präsident Pingwin Planet,
Clement Tolusso, Medienbeauftragter Pingwin Planet
0041 (0)61 691 55 83
0041 (0)78 753 53 75
0041 (0)79 213 41 06

 

------------------------------------------
1 Hexachlorcyclohexan (HCH)
2 Erste Probenahme (12.03.2017): Eine Mischprobe bestehend aus drei Betonstücken;
Zweite Probenahme (30.03.2017): Drei Proben bestehend aus drei Betonstücken, die das Labor einzeln analysiert hat.
3 Agence de l’environnement et de la maîtrise de  l’énergie (ADEME)

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+++ 9. März 2017 +++

Lindan-Abfall im elsässischen Hagenthal (F):

Billigsanierung auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit

SituationsbildBilligsanierung in Hagenthal-le-Bas 07.03.2017 / Bild: PP

Statt den hochgiftigen und Krebs fördernden Lindan-Abfall wirklich wegzuräumen, will die Préfecure in Hagenthal-le-Bas und Hagenthal-le-Haut nur oberflächlich aufräumen: Gerade mal den hochkonzentrierten Sondermüll will sie weggraben und dies erst noch ohne Zelt. Bei allen anderen Feldwegen und Picknick-Plätzen aber will sie das Gift im Boden belassen und nur mit Beton überziehen – selbst mitten im Wald. Pingwin Planet protestiert gegen dieses Vorgehen. Statt das seit 45 Jahren bestehende Giftproblem endlich wirklich zu lösen, verlagert es die Préfecture erneut auf zukünftige Generationen.

Die Sanierungsarbeiten haben diese Woche begonnen. Pingwin Planet und der Altlastenexperte Dr. Martin Forter verlangen einen sofortigen Baustopp. Sie erachten den Schutz der ArbeiterInnen und der Umwelt als ungenügend. Die Sicherheitsmass- nahmen werden den Risiken des Lindan-Abfalls nicht gerecht. Die Gefahr von giftigen Staubemissionen ist sehr gross. Dies insbesondere auch angesichts der momentanen Wetterbedingungen mit Niederschlag und Sturm. Diese Arbeiten bei solchem Wetter durchzuführen, stellt eine erhöhte Gefährdung für die AnwohnerInnen und die Umwelt dar.

750 Gramm hochgiftiges Hexachlorcycohexan (HCH) pro Kilogramm: Solch extrem gefährliches Material liegt auf einem Feldweg in Hagenthal-le-Bas. Dies haben Pingwin Planet und der Basler Altlastenspezialist Dr. Martin Forter 2011 bekannt gemacht. Erst jetzt, sechs Jahre später, ringt sich die Préfecture endlich durch, in Hagenthal-le-Bas wenigstens dieses Gift teilweise zu entfernen. Dies allerdings ohne schützendes Zelt. Damit nimmt die Préfecture in Kauf, dass beim Baggern giftiger Lindan-Abfall-Staub in die Umwelt gelangt. Zudem werden die Arbeiter gefährdet, die nur mit Gasmasken anstatt mit speziellen Schutzanzügen und Flaschenluft aus- gestattet sind. Doch auch bei diesem Feldweg will die Préfecture nicht alles wegräumen: Wie bei den anderen Feldwegen und Picknick-Plätzen in Hagenthal-le-Bas und Hagenthal-le-Haut soll das Gift bleiben und mit Beton überzogen werden, so z.B. auch am Waldrand beim Rosshimmel, einem beliebten Picknick-Platz oberhalb von Hagenthal-le-Haut.

Pingwin Planet und Dr. Martin Forter sind über das Vorgehen der Préfecture empört. Seit 45 Jahren verschmutzt der Lindan-Abfall das Lörx- bachtal schleichend. Anstatt das Giftproblem nun wirklich zu lösen, verlagert es die Behörde mit dem blossen Zubetonieren auf zukünftige Generationen. Denn: Beton kann Lindan-Abfall nicht langfristig binden.

Seit Beginn der 1970er-Jahre liegt Kies auf Feldwegen in Hagenthal-le-Bas und Hagenthal-le-Haut, der mit Lindan-Abfall kontaminiert ist. Er stammt vom Fabrikgelände des ehemaligen Lindan-Produzenten Ugine Kuhlmann in Huningue. Das dortige Fabrikgelände (ARA STEIH) in Hu- ningue wird seit 2013 von Novartis saniert. Dabei entwich zu Beginn so viel Lindan-Abfall-Staub, dass Novartis die Arbeiten abrechen musste. Trotz der schlechten Erfahrungen in Huningue will die Préfecture in Hagenthal-le-Bas ohne Zelt arbeiten. Das ist unverständlich.

Pingwin Planet und Dr. Martin Forter fordern :

  • Sofortiger Abbruch der geplanten Sanierungsarbeiten (ohne Zelt und speziellen Schutz der Arbeiter).
  • Kein Zubetonieren der Feldwege und Picknickplätze in Hagenthal-le-Bas und Hagenthal-le-Haut, sondern deren vollständige Dekontamination
  • Die Beseitigung des Gifts unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen, das heisst mit Zelt und speziellem Schutz der Arbeiter.
  • Dass die ausgegrabenen Flächen und deren Umgebung durch unabhängige Experten untersucht werden .

Kontakt:

Lorenz Hirni, Co-Präsident
Clément Tolusso, Medien
+41 (0)55 511 22 55
+41 (0)79 213 41 06

 

Medienmitteilung von Pingwin Planet und Dr. Martin Forter vom 10. Juni 2013

Frei zugänglicher HCH-Chemiemüll auf Feldweg in Hagenthal-le-Bas (F):

Die Préfecture foutiert sich um die Gift-Gefahr

Situations-FotoPingwin Planet sichert den Giftweg in Hagenthal-le-Bas, weil es die Préfecture nicht tut. Foto: Dave Joss

Pingwin Planet tut, wozu die französischen Behörden trotz akuter Giftgefahr offensichtlich nicht einmal nach einem Monat in der Lage sind: Mit Ketten und Schlössern haben Pingwin Planet-AktivistInnen den Zaun um den hochgiftigen, aber frei zugänglichen HCH-Abfall auf einem Feldweg in Hagenthal-le-Bas (F) verrammelt und abgesperrt. Jetzt warnen endlich Tafeln mit der Aufschrift „Gift“ die Bevölkerung vor dem gefährlichen Chemiemüll. Er stammt aus der Produktion des längst verbotenen Insektizids Lindan, das Ugine-Kuhlmann bis 1976 in Huningue (F) produziert hatte. Doch sperren allein reicht nicht: Pingwin Planet und Forter fordern die Behörden und den Rohstoffkonzern Rio Tinto deshalb ultimativ auf, das Gift innerhalb eines Monats zu entfernen, um endlich die Hagenthaler Bevölkerung zu schützen.

Denn: auf Gift spazieren ist in Hagenthal-le-Bas (F) noch immer möglich. Die Préfecture scheint es nicht zu stören, dass ein Kind aus den Nachbarhäusern das Gift schlucken könnte und die HagenthalerInnen es an den Schuhen in ihre Häuser verschleppen. Auf jeden Fall ist es nicht erklärbar, dass es die Préfecture selbst innerhalb eines Monats nicht geschafft hat, die von ihr angebrachten Absperrungen wieder zu schliessen. Dies, obwohl sie Forter und Pingwin Planet am 15. Mai 2013 über die erneute freie Zugänglichkeit des Gifts in Kenntnis gesetzt haben. Dass Gift unter freiem Himmel auf einem Feldweg in Hagenthal-le-Bas liegt, darauf haben Pingwin Planet und Martin Forter erstmals im November 2011 hingewiesen. Sie zeigten auf, dass die französischen und Schweizer Behörden seit Jahren vom Gift in Hagenthal wussten, aber nicht handelten. Trotz der akuten Giftgefahr für Mensch, Tier und Umwelt haben sich die französischen Behörden schon damals skandalös viel Zeit gelassen. Anstatt das Gift sofort zu entfernen, sperrtensie nach einem halben Jahr bloss den Feldweg.

Es ist höchste Zeit, die Hagenthaler Bevölkerung endlich zu schützen. Deshalb fordern Pingwin Planet und Forter die französischen Behörden und den zumindest ethisch verantwortlichen Rohstoffkonzern Rio Tinto ultimativ auf, das Gift innerhalb eines Monats zu entfernen.

Kontakt:

Maja Widler, Pingwin Planet
Dr. Martin Forter, Geograf und Altlastenexperte, Basel
0041 (0) 55 511 22 55
0041 (0) 61 691 55 83

 


Video Sperrung HCH-Feldweg durch Pingwin Planet

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Medienmitteilung von Pingwin Planet und Dr. Martin Forter vom 15. Mai 2013

Spazieren auf Chemiemüll – in Hagenthal wieder möglich

Situations-FotoReiten auf Gift: Szene auf dem HCH-Feldweg in Hagenthal-le-Bas (F) am 8.6.2013. Foto: Martin Forter

Der hochgiftige Chemiemüll auf einem Feldweg in Hagenthal-le-Bas (F) ist wieder frei zugänglich: Jemand hat die Absperrungen, die die französischen Behörden anbringen liessen, wieder geöffnet. Die Folge: Ohne es zu bemerken, spazieren Menschen, Hunde und Pferde direkt über das Gift. Sie verschleppen es mit Schuhen, Pfoten und Hufen in die Häuser sowie Ställe. Das macht es für Pingwin Planet und Dr. Martin Forter nur noch klarer: Der Chemiemüll muss endlich weg.

Bis zu 750 Gramm hochgiftiges Hexachlorcyclohexan (HCH) aus der Produktion des verbotenen Insektizids Lindan bei Ugine-Kuhlmann in Huningue (F) pro Kilo haben Pingwin Planet und Dr. Martin Forter auf einem Feldweg in Hagenthal-le-Bas (F) nachgewiesen. Dies haben sie im November 2011 publik gemacht und verlangt, dass der Chemiemüll unter freiem Himmel schnellstens fachgerecht beseitigt wird. Doch anstatt das auch für Kinder aus den Nachbarhäusern frei zugängliche Gift zu entfernen, sperrten die französischen Behörden den Feldweg nur mit Bauabschrankungen ab.

Im Gänsemarsch über den Sondermüll

Nun, ein weites halbes Jahr später aber zeigt ein Kontrollgang: Jemand hat – von den Behörden unbemerkt – die Absperrungen wieder geöffnet. Die seitlichen Bauabschrankungen führen nun Spaziergänger, Hunde und Pferde auf dem Feldweg im Gänsemarsch präzise über den Chemiemüll. Ohne es zu wissen verschleppen sie so mit Schuhen, Pfoten und Hufen das hochgefährliche Gift in ihre Wohnungen und in die Ställe. Dies zeigt: Chemiemüll auf Feldwegen lässt sich nicht absperren. Es gibt nur eine Möglichkeit, die Menschen und die Umwelt zu schützen: Der Dreck muss weg – und zwar sofort.

Pingwin Planet und Dr. Martin Forter fordern die französischen Behörden sowie den moralisch für den Sondermüll verantwortlichen Rohstoffkonzern Rio Tinto auf, zu handeln und endlich die Bevölkerung von Hagenthal zu schützen.

Pingwin und Forter verlangen:

  • Eine erneute, sofortige und verstärkte Sperrung des Feldwegs.
  • Anbringen von Schildern, die vor dem Gift warnen.
  • Die sofortige, direkte Information der Bevölkerung über das Gift in ihrer Nachbarschaft
  • Ultimativ die Entfernung des Chemiemülls innerhalb von zwei Monaten

Kontakt:

Maja Widler, Pingwin Planet, Zürich
Dr. Martin Forter, Geograf und Altlastenexperte, Basel
0041 (0) 55 511 22 55
0041 (0) 61 691 55 83

 

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+++ 14. Juli 2016 +++

Chemiemülldeponie Rothausstrasse in Muttenz (BL):

Erneut fragwürdiges Streichkonzert bei den Analyseergebnissen

SituationsbildChemiemülldeponie Rothausstrasse in Muttenz (BL): Ein Gefahr für das Trinkwasser von 230’000 Menschen. Foto: Martin Forter

Andere Kantone lassen den Chemiemüll von BASF, Novartis und Syngenta ausgraben. Im Kanton Basel-Landschaft aber wird das zweifelhafte «Verdichten» von Analyseergebnissen durchgeführt: So nennt sich dort das fragwürdige Weglassen von Schadstoffen, um ihre Anzahl im Grundwasser bei den Muttenzer Chemiemülldeponien «auf ein überschaubares Mass zu reduzieren». Dieses wiederholte Streichkonzert auf Kosten der Sicherheit des Trinkwasser von 230'000 Menschen nimmt zum Teil absurde Formen an, wie jetzt der neueste Bericht zur Muttenzer Chemiemülldeponie Rothausstrasse zeigt.

Die Sondermülldeponie Kölliken im Aargau ist leer geräumt. Das Gift, das in der Deponie Pont Rouge in Monthey im Wallis lag, ist ausgegraben. Die Chemiemülldeponie Bonfol im Jura ist fast fertig ausgehoben. Was um das Jahr 2000 begann ist nächstens abgeschlossen: In der ganzen Schweiz liessen die Kantone die giftige Hinterlassenschaft der Basler Chemie aus dem Boden holen. Überall? Nein, im Kanton Basel-Landschaft nicht. Hier geschah trotz der Gefahr für das Trinkwasser von 230'000 Menschen in der Stadt und Agglomeration Basel nichts: Kein Gramm Gift wurde bisher ausgegraben. Noch immer liegt der gefährliche Chemiemüll der Vorgängerkonzerne von Novartis, Syngenta und BASF in den ehemaligen Kiesgruben Feldreben, Rothausstrasse und Margelacker. Warum das so ist zeigte sich kürzlich erneut bei der Chemiemülldeponie Rothausstrasse. Wie in allen Deponien der Basler Chemie ist auch dort eine enorme Schadstoffvielfalt anzutreffen. Es sind hunderte von chemischen Stoffen, die bei den Untersuchungen dieser Deponien zum Vorschein kommen.1 Diesem breiten Substanzfächer haben sich – wie eingangs erwähnt – die Behörden im Aargau, im Jura sowie im Wallis gestellt und den Giftmüll herausgeholt.

Substanzen weglassen …

Im Baselbiet aber bieten die Behörden Hand, die enorme Schadstoffvielfalt mit fragwürdigen Mitteln zu verschleiern. So steht etwa im neuen Bericht zur Rothausstrasse: «Es wurden bislang etwa 185 Einzelsubstanzen identifiziert. Um die Menge der Daten auf ein überschaubares Mass zu reduzieren», streichen das Ingenieurbüro Gruner, der Kanton und die Industrie auch bei der Rothausstrasse den grössten Teil der gefundene Schadstoffe mit meist fadenscheinigen Argumenten weg. Dieses Schadstoff-Streichkonzert nennen sie schönfärberisch «Verdichtung der Screening-Ergebnisse». Am Ende dieser fragwürdigen Reduktion bleiben fünf Substanzen. Nur sie sollen die nächsten Jahre zusätzlich detaillierter untersucht werden, wie der Kanton kürzlich verlauten liess. Peinlich nur: Vor 10 Jahren hat der gleiche Kanton bei derselben Deponie genau diese fünf Substanzen als irrelevant erklärt und weggestrichen, als sie 2004 bzw. 2006 nachgewiesen worden sind.

… um sie nach 10 Jahren doch noch zu suchen?

Unter den damals weggelassenen Substanzen ist auch das hoch gefährliche 4-Chlor-2-methylanilin: Weil der Stoff mit Blasenkrebs in Verbindung steht, bezahlt Syngenta im Wallis und in den USA Entschädigungen an ehemalige Chemiearbeiter. 4-Chlor-2-methylanilin taucht bei den meisten Chemiemülldeponien der Basler Chemie auf: in Monthey im Wallis, bei den Deponien Roemisloch sowie Le Letten im Elsass und in Bonfol im Jura. Roemisloch, Le Letten und Bonfol sind die drei Nachfolgedeponien der Chemiemülldeponien Feldrebengrube und Rothausstrasse in Muttenz. Dass die gefährliche Substanz 4-Chlor-2-methylanilin auch in diesen beiden Baselbieter Deponien vorkommt, liegt somit auf der Hand. Dies zeigen auch eine von Ciba SC (heute BASF), Novartis und Syngenta 2003 erstellte, firmeninterne Substanzliste zu den Muttenzer Deponien und verschiedene firmeninternen Dokumente. Trotzdem haben Basel-Land und die beteiligten Konzerne die Substanz weder bei der Feldrebengrube noch bei der Rothausstrasse mittels Einzelstoffanalysen gesucht. Dies, obwohl die 2006 bei der Rothausstrasse mittels Screening ermittelte Konzentration den Grenzwert um das drei bis 17-fache überschritt, den die Industrie in Monthey (VS) errechnet hatte.

Nicht relevante Blasenkrebssubstanz?

Nicht vorgesehen war wohl, dass bei den kürzlich erneut durchgeführten Screenings 4-Chlor-2-methylanilin wiederum in Grundwasserproben auftaucht. Zudem überschritt die gemessene Konzentration sogar den jetzt gültigen, viel höheren Grenzwert noch immer bis zu fünf Mal. Das sei auch heute nicht von Bedeutung, lässt Rainer Bachmann vom Amt für Umweltschutz und Energie (AUE BL) auf Nachfrage der BZ Basel verlauten. Denn bei der Rothausstrasse seien nur Schadstoffe relevant, die im unteren Grundwasserstrom gefunden würden, «denn dieser wird genutzt». Dort aber sei 4-Chlor-2-methylanilin «nie festgestellt» worden, so Bachmann. Dazu ist festzuhalten:

  1. Ob ein Grundwasser genutzt wird oder nicht ist für die Altlastenverordnung kein relevantes Kriterium: Sie schützt alles Grundwasser, nicht nur das aktuell Genutzte.2
  2. Es erstaunt wenig, dass 4-Chlor-2-methylanilin im unteren Grundwasserträger bisher nicht gefunden wurde: Die Substanz wurde auch dort, wo u.a. unser Trinkwasser herkommt, während der letzten zwölf Jahre gar nie systematisch mit Einzelstoffanalysen gesucht.
  3. Trotz ihrer angeblichen Irrelevanz lässt der Kanton in Zukunft nun doch mit Einzelstoffanalysen nach 4-Chlor-2-methylanilin suchen.

Substanz im Screening gar nicht identifizierbar

Dazu ist es auch höchste Zeit. Denn Basel-Land hat bis heute nicht bedacht, dass sich mit der Analysemethode Screening der Blasenkrebs-Stoff 4-Chlor-2-methylanilin gar nicht von seiner viel weniger problematischen Schwestersubstanz (Isomer) 5-Chlor-2-methylanlinin unterscheiden lässt. Dazu müsste jede dieser zwei Substanzen zwingenden einzeln gesucht werden. Dies hielt die Allianz Deponien Muttenz (ADM) schon im März 2013 fest und kritisierte den Kanton für sein bisheriges Vorgehen. Jetzt zeigt sich: ohne Wirkung. Anlässlich der letzten Untersuchungen stützte sich das AUE BL bei der Chemiemülldeponie Rothaus betreffend 4-Chlor-2-methylanilin erneut allein auf Screenings ab. Übrigens: Dass dies nicht ausreicht, um die Substanz sicher festzustellen, hat auch Analysespezialist Professor Michael Oehme festgehalten. Tauchte der Name 4-Chlor-2-methylanilin in einem der neuen Analysebericht zur Rohhausstrasse auf, hat der mit der Qualitätssicherung beauftragte Oehme den Namen mit «or isomer» ergänzt und damit explizit festgehalten, diese Substanz sei nicht eindeutig identifiziert.

In Basel-Stadt getrunken

Das fragwürdige Vorgehen und das Nichthandeln des Kantons Basel-Land hat Konsequenzen: Der Chemiemüll gefährdet oder verschmutzt gar weiterhin das Trinkwasser von 230'000 Menschen. Dies aber scheint weder Sabine Pegoraro (FDP) als verantwortliche Baselbieter Baudirektorin noch die rot-grüne Baselstädtische Regierung zu kümmern. Letzteres erstaunt, sind es doch vor allem die rund 200'000 Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Basel-Stadt, die das Wasser aus der Muttenzer Hard täglich trinken.

Martin Forter

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1 vgl. Martin Forter: Falsches Spiel. Die Umweltsünden der Basler Chemie vor und nach «Schweizerhalle», Chronos-Verlag Zürich, 2010, S. 74-76.
2 Der Schweizerische Bundesrat: Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten (Altlasten-Verordnung, AltlV), vom 26.8.1998 (Stand am 1.3.2015), Art. 9 Schutz des Grundwassers, Abs. 2, a, b u. c, S. 4 u. 5.

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+++ 16. August 2015 +++

Wie die Wirtschaftskammer die Baselbieter Politik manipuliert

SituationsbildKlar, warum es dem Kanton Baselland finanziell so schlecht geht. Beispiel Chemiemülldeponie Feldreben in Muttenz. Foto: Martin Forter

Mit der Wahrheit scheint es Christoph Buser, heute Chef der Baselbieter Wirtschaftskammer nicht immer so genau zu nehmen: Viel mehr als 100'000 Franken würden sie wohl nicht zur Verfügung haben, um die Initiative zur Totalsanierung der Muttenzer Chemiemülldeponie der Grünen zu bekämpfen, liess sich der heutige National- und Ständeratskandidat der FdP 2010 zitieren. Nun aber berichtet die «Schweiz am Sonntag», die Wirtschaftskammer Baselland habe 2010 über ein Budget von 1.3 Millionen Franken verfügt, um die Deponie-Initiative zu bodigen.

Die Muttenzer Chemiemülldeponien Feldreben, Margelacker und Rothausstrasse sollen auf Kosten der Verursacher Novartis, Syngenta und Ciba (heute BASF) vollständig ausgehoben werden, um das Basler Trinkwasser zu schützen. Dies verlangten die Totalsanierungs- und Trinkwasserinitiativen der Grünen, über die die Baselbieter Stimmberechtigten 2010 abgestimmt haben. Nun zitiert die «Schweiz am Sonntag» aus internen Dokumenten zum damaligen Abstimmungskampf: Die Baselbieter Wirtschaftskammer habe damals über ein Budget von 1.35 Millionen Franken verfügt. Dies steht im Widerspruch zu Angaben, die Christoph Buser als Kampagneleiter der Initiativgegner 2010 gemacht hat: Eine kleine Kampagne basiere auf 100'000 Franken – «und viel mehr werden wir wohl nicht zur Verfügung haben», liess sich Buser am 6. Mai 2010 in der Basler Zeitung verlauten.

Vorformulierte Vorstösse und Manipulation von Publikumsumfragen

Doch damit nicht genug: Buser bzw. die Wirtschaftskammerfirma IWF habe z.B. Anlässe des Hauseigentümerverbands für seine Zwecke instrumentalisiert und die parlamentarische Debatte mit «vorformulierten Vorstössen (....) gesteuert, die von Landräten verschiedener Parteien eingereicht» worden seien. Ein besonderes Augenmerk habe der Medienarbeit gegolten: Bei TeleBasel sei sogar eine Publikumsumfrage manipuliert worden, so die «Schweiz am Sonntag» heute. Nicht nur das: Jascha Schneider hätte auf TeleBasel die Abstimmungs-Sendung Salon Bâle u.a. mit Christoph Buser als Gast moderieren sollen. Erst nachdem die Basellandschaftliche Zeitung am 28. Mai 2010 berichtete, dass der TeleBasel-Moderator Schneider auch als Anwalt Busers tätig ist, zog sich Schneider drei Tage vor der Sendung als Moderator zurück.

Kanton kauft grösste Chemiemülldeponie

Während dieses Abstimmungskampfes kaufte zudem der Kanton Basel-Landschaft die Feldrebengrube in Muttenz. Der Kanton erwarb für rund 22 Millionen Franken somit die grösste Chemiemülldeponie in seinem Staatsgebiet. Dies, obwohl 2010 schon längst bekannt war, dass die Deponie gemäss Angaben der Industrie 13'500 bis 25'000 Tonnen hochgiftigen Chemiemüll enthält. Auch dieser Kauf scheint von langer Hand eingefädelt worden zu sein, wie aus einer industrieinternen Mail von Conrad Engler, einem Interessenvertreter der Chemie- und Pharmafirmen vom Dezember 2002 hervorgeht: «Wichtig ist [...] die Kantonsbeteiligung für die weiterführenden Abklärungen.» Dann überlege «sich der Kanton [...] wirklich auch zweimal, was er fordert im AUE BL, wenn es (aus der gleichen Direktion) auch mitfinanzieren muss». Je höher also die Kantonsbeteiligung an der Beseitigung des Firmenmülls, umso weniger würde Baselland in Muttenz einen umfassenden Aushub wie in Bonfol fordern. Den schlechten Deal des Kaufs der Deponie haben die Chemie- und Pharmakonzerne dem Kanton im Rahmen des Abstimmungskampfs mit einem Zückerchen von 40 Millionen Franken u.a. für den Trinkwasserschutz versüsst. Und tatsächlich: Basel-Land plant nur eine Billigsanierung. die das Problem Chemiemülldeponie Feldreben nicht lösen wird.

Kanton hat ein Risiko von 500 Mio. Franken erworben

Mit dem Kauf der Chemiemülldeponie Feldreben und der Ablehnung der Totalsanierungsinitiative der Grünen 2010 sitzt der Kanton heute auf einem Risiko von mindestens 500 Millionen Franken. Gleichzeitig hat er sich die Verantwortung für die mögliche Trinkwasserverschmutzung eingehandelt. In dieser Politik liegt auch einer der Gründe, warum der Kanton Basel-Landschaft heute finanziell so schlecht dasteht. Wie von der Industrie erhofft ist nach dem Kauf der Deponie sein Interesse gering, überhaupt eine Sanierung durchzuführen, da sie nun den Kanton wohl viel Geld kosten würde. Also verschleppt er die Sache und lässt es sogar auf juristische Auseinandersetzungen ankommen. Während des Abstimmungskampfs 2010 aber versprach die Regierung noch vollmundig, die Sanierungsarbeiten würden 2012 beginnen, wie die Basellandschaftliche Zeitung am 22. April 2010 berichtete. Bis heute jedoch hat die Exekutive noch nicht mal eine Verfügung für die von ihr geplante Billigsanierung erlassen.

+++ 21. Oktober 2014 +++

Seit Schadstofffunden 2006 durch Greenpeace

Trinkwasser: IWB/Hardwasser AG haben Analytik heruntergefahren

Symbolbild WasserhahnBasler Trinkwasser: IWB haben Grenzwert nicht kontrolliert. Foto: ADM

Greenpeace hat 2006 im Basler Trinkwasser Schadstoffe nachgewiesen. Der Bund hat daraus die Konsequenzen gezogen und 2009 einen neuen Grenzwert (Toleranzwert) für Schadstoffe im Trinkwasser erlassen. Pikant: Diesen neuen Grenzwert kontrollieren die Industriellen Werke Basel (IWB) bzw. die Hardwasser AG nicht. Warum? Seit dem Greenpeace-Nachweis von Schadstoffen im Trinkwasser haben die IWB/Hardwasser AG ihre Analytik bei den GC/MS-Screenings runtergefahren. Diese Trinkwasser-Untersuchungen sind heute so unsensibel, dass der neue Grenzwert des Bundes gar nicht kontrolliert werden kann.

Rund 230'000 Menschen aus der Stadt und Agglomeration Basel trinken täglich das Wasser der IWB/Hardwasser AG. Dieses Trinkwasser stammt teilweise aus der Muttenzer Hard, wo es in unmittelbarer Nachbarschaft der Muttenzer Chemiemülldeponien von Novartis, BASF und Syngenta gewonnen wird. In diesem Trinkwasser hat Greenpeace 2006 Schadstoffe wie das genotoxische Hexachlorbutadien nachgewiesen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der benachbarten Chemiemülldeponie Feldreben stammen.

Trinkwasserverschmutzung mit technischem Trick verschwinden lassen

Wie haben aber die IWB/Hardwasser AG auf diese Schadstoffe im Trinkwasser reagiert? Zu erwarten wäre, dass sie die Untersuchungen intensivieren. Die beiden staatlichen Trinkwasserversorger aber machten das Gegenteil: Haben IWB/Hardwasser AG 2005 noch Schadstoffe mit 1 ng/l im GC/MS-Screening ausgewiesen, so schneiden sie heute Substanzen mit Konzentrationen von kleiner 100 ng/l einfach weg. Mit anderen Worten: Die Schadstoffe mit einer Konzentration unter 100 ng/l Trinkwasser schauen die IWB/Hardwasser AG gar nicht mehr an. Sie haben somit bei dieser Analysemethode die Bestimmungsgrenze um einen Faktor 100 verschlechtert. Die IWB/Hardwasser AG haben also mit einem Trick die Trinkwasserverunreinigung verschwinden lassen. Dies haben die Kantonalen Laboratorien Baselland und Basel-Stadt als Trinkwasserbehörden offensichtlich gutgeheissen.

Grenzwert der Lebensmittelverordnung seit 2010 nicht kontrolliert

Mit dieser Praxisänderung kontrollieren die IWB/Hardwasser AG einen Grenzwert (Toleranzwert ) nicht, den das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als Folge des Nachweises von Schadstoffen im Basler Trinkwasser 2009 erlassen hat. Danach darf im Trinkwasser die Konzentration einer Substanz, die das Potential hat, das Erbgut zu verändern und/oder Krebs auslösen (genotoxisches Potential), maximal 100 ng/l betragen. Zur Überwachung dieses Grenzwerts reicht es nicht aus, nur Substanzen mit grösser 100 ng/l im GC/MS auszuwerten: „Man muss bei dieser Analysemethode GC/MS-Screening deutlich unter 100 ng/l gehen, um den Grenzwert von 100 ng/l zu überwachen», sagt Pierre Studer vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zum Vorgehen der IWB/Hardwasser AG. Und Professor Michael Oehme, einst an der Universität Basel und heute als weltweit anerkannter Analytikexperte tätig, betont: „Wenn man bei 100 ng/l abschneidet und die Substanzen darunter nicht auswertet, ignoriert man die Messunsicherheit der Screeningmethode, welche bei ±100% liegt. So lässt sich ein Grenzwert von 100 ng/l nicht kontrollieren. Das ist nicht Stand der Technik und nicht in Übereinstimmung mit internationalen Normen. Eine Auswertung bis auf 50 ng/l ist absolut notwendig und ja auch für Grundwasser bei Chemiemülldeponien üblich. Es macht wenig Sinn, Grundwasser bei Deponien besser zu untersuchen als Trinkwasser.»

ADM konfrontieren IWB/Hardwasser AG

„Diese ewige Trickserei mit dem Trinkwasser geht mir gegen den Strich“, nervt sich Hanspeter Meier, Co-Präsident der Allianz Deponien Muttenz (ADM). Und Mirjam Kopp Greenpeace Schweiz meint: „Das ist eine veritable Ohrfeige für die Trinkwasser-KonsumentInnen, dass die IWB/Hardwasser AG ihre Analysen unempfindlicher fahren, als vor unseren Schadstofffunden von 2006..“ Deshalb hat die ADM die IWB/Hardwasser AG in zwei Gesprächen mit ihren Erkenntnissen konfrontiert. Als Folge davon werden IWB/Hardwasser AG die Nachweisgrenze beim GC/MS-Screening auf 50 ng/l Liter absenken. Dazu brauche es aber gewisse Anpassungen, die ca. drei Monate beanspruchen würden. Diese späte Einsicht ist erfreulich, kann aber nur ein erster Schritt sein. Denn: Die Analytik die IWB/Hardwasser AG künftig anwenden wollen, ist immer noch rund 50 Mal unsensibler als jene, die sie 2005 durchgeführt haben.

ADM fordert:

  • Eine rückwirkende Auswertung der GC/MS-Daten von 2009–2014 mit der Bestimmungsgrenze von 50 ng/l.
  • Eine zukünftige Auswertung der GC/MS-Screenings bis auf 20 ng/l, was dem heutigen Stand der Technik entspricht.
  • Die Anwendung des seit 2002 existierenden Qualitätssicherungssystems für Analysen von Prof. Michael Oehme auch bei den IWB/Hardwasser AG.
  • Eine systematische Kontrolle auf die Einhaltung aller Grenz- und Toleranzwerte der Lebensmittelverordnung durch die Kantonalen Laboratorien Baselland und Basel-Stadt.
  • Keine Billigsanierung der Feldrebengrube. Um das Trinkwasser zu schützen müssen die Verursacher Novartis, Basf und Syngenta richtig, sicher und vollständig aufräumen.

Kontakt:

Hanspeter Meier, Co-Präsident ADM
Martin Forter, Dr. Geograf und Altlastenexperte
061 461 37 10
061 691 55 83

 

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BürgerInnenprotest gegen ungenügendes Feldrebenprojekt

BASF, Novartis und Syngenta wollen sich davon schleichen – die Kosten sollen die Steuerzahler/innen tragen

BürgerprotestChemiemüll soll vollständig ausgegraben werden: Bürgerprotest gegen Teilsanierung der Chemiemülldeponie Feldreben in Muttenz

«Sauberes Trinkwasser statt Billigsanierung» und «Alles Gift muss raus jetzt»: Mit diesen Transparenten verlangten BürgerInnen aus der Region zusammen mit der Allianz Deponien Muttenz (ADM) heute Abend eine einmalige und definitive Sanierung, oder wie es im Umweltgesetz des Kantons Basel-Landschaft im § 56a heisst „eine unverzügliche und nachhaltige Lösung des Altlastenproblems bei den Muttenzer Deponien Feldreben (...)“. Gleichzeitig protestierten sie gegen das vor einer Woche eingereichte Teilsanierungs-Projekt, welches das Problem Feldrebengrube nicht löst. Im Gegenteil: Novartis & Co nehmen weiterhin in Kauf, dass das Trinkwasser der Hardwasser AG für 230'000 Menschen verschmutzt wird. Der Protest fand im Vorfeld der öffentlichen Veranstaltung vom Dienstagabend vor dem Coop-Bildungszentrum in Muttenz statt.

«Wir wollen zeigen, dass wir bei der Chemiemülldeponie Feldreben in Muttenz eine Billigsanierung nicht zulassen», sagt Hanspeter Meier, Co-Präsident der ADM. Als Plattform für ihren Protest wählten Bürgerinnen und Bürger sowie ADM die öffentliche Veranstaltung der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion Basel-Land (VGD) zum ungenügenden Teilsanierungsprojekt, heute Abend im Coop Bildungszentrum in Muttenz. Die rund 20 Personen aus Muttenz und der Region Basel haben zusammen mit der ADM mit Transparenten und Flugblättern gegen die geplante Billigsanierung von BASF, Novartis, Syngenta und der VGD protestiert. (Flugblatt und im Anhang).

Mit einer Billigsanierung freikaufen?

Die Protestierenden taten ihre Betroffenheit mittels Flugblättern und Transparenten kund, weil das vorgelegte Sanierungsprojekt die Probleme nicht löst: Die Konzerne BASF, Novartis und Syngenta sind nicht bereit sauber und vollständig aufzuräumen, sondern wollen sich mit einer Billigsanierung freikaufen und so davon schleichen. So soll nur ein geringer Teil des Chemiemülls ausgegraben werden. 80 Prozent des Deponieinhalts würden weiter im Boden verbleiben. Damit würde ein teures Flickwerk einstehen. Muss später trotzdem noch richtig aufgeräumt werden, bleiben bis zu 500 Millionen Franken am Kanton und seinen SteuerzahlerInnen hängen. Denn: Die Kosten für ein zukünftiges Aufräumen werden auf die BesitzerInnen der Parzellen überwälzt. Das ist in erster Linie der Kanton-Basellandschaft. Die Gefahr dafür ist real: Nicht nur, wenn auf dem Gelände gebaut wird, sondern auch wegen der Verschmutzung des Trinkwassers. Behörden und Industrie blenden sie schlicht aus. Mit bloss einer Teilsanierung, wie bisher geplant, besteht weiterhin die Gefahr einer Verschmutzung des Trinkwassers aus der Muttenzer Hard für über 230'000 TrinkwasserkonsumentInnen in Agglomeration und Stadt Basel.

Darum: «Sauberes Trinkwasser statt Billigsanierung» und «Alles Gift muss raus jetzt»:

Kontakt:

Hanspeter Meier, Co-Präsident ADM, SP Muttenz
Harald Friedl, Vorstand ADM
079 746 71 15
076 544 48 30

 

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26.11.2013

Medienmitteilung der Allianz Deponien Muttenz (ADM)

Teilsanierung Chemiemülldeponie Feldreben

BASF, Novartis, Syngenta und der Kanton Basel-Land nehmen Trinkwasserverschmutzung weiterhin in Kauf

Bild FeldrebenÜberbaut: Chemiemülldeponie Feldreben von BASF, Novartis und Syngenta in Muttenz am 25.11.2013. Foto: Hanspeter Meier

Die von der Industrie und der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion Basel-Landschaft (VGD) geplante Teilsanierung ist eine Billigsanierung, die das Problem Feldreben-Deponie nicht löst. Im Gegenteil: BASF, Novartis, Syngenta und der Kanton Basel-Land nehmen sogar weiterhin eine Trinkwasserverschmutzung in Kauf. Der Kanton übernimmt damit ein Risiko von rund 500 Millionen Franken, wenn die Deponie später doch noch richtig aufgeräumt werden muss.

Anders als z.B. Roche in Grenzach bei der Kesslergrube, will Novartis zusammen mit BASF, Syngenta und der VGD in Muttenz nur eine Teilsanierung durchführen. Anstatt den gefährlichen Chemiemüll vollständig auszugraben, soll bei der Feldreben-Deponie während den nächsten fünf Jahren nur das Grundwasser gereinigt werden. Das macht wenig Sinn, weil die Giftquelle bestehen bleiben würde.

Nur drei Prozent des giftigen Deponieinhalts im Auge

Erst im Rahmen von Bauvorhaben auf der Deponie soll nach fünf Jahren ein kleiner Teil des Chemiemülls nach und nach ausgehoben werden. Dabei orientieren sich Industrie und VGD nach eigenen Angaben nur auf sogenannte chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW). Allerdings: Sie machen keine drei Prozent des Deponieinhalts aus, wie die Verantwortlichen in der Detailuntersuchung selber festhalten. Das zeigt deutlich: Bei der geplanten Teilsanierung handelt es sich um eine Billigsanierung und ein Alibiprojekt.

Kanton Basel-Land übernimmt Risiko von bis zu 500 Millionen Franken

80 Prozent des Deponieinhalts sollen liegen bleiben. Ein solches Flickwerk wird gemäss Projekt zwar den Kanton und den Bund rund 100 Millionen Franken kosten, das Problem Feldrebengrube aber nicht lösen. Im Gegenteil: Der Kanton bzw. die Baselbieter SteuerzahlerInnen übernehmen ein Risiko von bis zu 500 Millionen Franken, wenn später doch noch richtig aufgeräumt werden muss. Das ganze Deponieareal bleibt und muss im Altlastenkataster verbleiben. Die Kosten werden damit auf spätere Bauvorhaben vor allem des Kantons übertragen.

Trinkwasser von Basel und Umgebung weiter in Gefahr

Denn: Mit ihrer Alibisanierung nehmen Novartis & Co. weiterhin eine Verschmutzung des Trinkwassers von 230'000 Menschen in der Stadt und Agglomeration Basel in Kauf, wie ADM-Experte Prof. Walter Wildi an der Medienkonferenz der ADM vom 29. April 2013 aufzeigte. Novartis & Co. spielen ein gefährliches Spiel: 75% der im Trinkwasser nachgewiesenen Schadstoffe kommen auch in der Feldrebengrube vor. In solchen Fällen verlangt die Eidgenössische Altlastenverordnung die Beseitigung der Gefahrenquelle. Aus diesem Grund verpflichteten die Kantone Wallis (Monthey), Aargau (Kölliken) und Jura (Bonfol) Novartis & Co, ihre dortigen Chemiemülldeponien auszugraben. Im Baselbiet aber riskieren die Verantwortlichen scheinbar lieber die Verschmutzung des Trinkwassers anstatt die Altlastenverordnung durchzusetzen.

Die ADM fordert:

  • BASF, Novartis, Syngenta und VDG müssen sich der möglichen Kontamination des Trinkwassers von 230'000 Menschen in Stadt und Agglomeration Basel endlich stellen. Dass ihre Gesundheit weiterhin gefährdet werden soll ist inakzeptabel.
  • Die sichere, einmalige und definitive Beseitigung der Chemiemülldeponie Feldreben auf Kosten von BASF, Novartis und Syngenta gemäss den Vorgaben der Eidgenössischen Altlastenverordnung.

Kontakt:

Hanspeter Meier, Co-Präsident ADM, SP Muttenz
Harald Friedl, Vorstand ADM
079 746 71 15
076 544 48 30

 

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+++ 29. April 2013 +++

Bisher unveröffentlichte, Industrie-interne Dokumente zeigen:

Chemie verheimlicht in Muttenz Grenzwerte aus Monthey (VS) für Risikoschadstoffe

Situations-Foto Die überbaute Chemiemülldeponie Feldreben am 25.4.2013. Foto - Harald Friedl

BASF, Novartis und Syngenta wollen in Muttenz bei der Feldrebengrube eine Billig-Sanierung durchführen. Dies zeigt ein Industrie-Bericht, den ADM heute veröffentlicht. Mit wissenschaftlich unhaltbaren Aussagen versuchen die drei Konzerne zudem von Substanzen abzulenken, die beim Menschen Krebs verursachen, das Erbgut und/oder das Embryo im Mutterleib schädigen. Für etliche dieser Risiko-Substanzen haben sie in Monthey (VS) Grenzwerte gemäss Altlastenverordnung herleiten lassen. Ihr Wissen aus Monthey aber hielten sie in Muttenz zurück. Deshalb veröffentlich ADM heute diese verheimlichte Grenzwerte-Liste. Sie zeigt: Die Monthey-Grenzwerte werden im Muttenzer Grundwasser z.T. überschritten. Trotzdem haben die drei Konzerne bei der Feldrebengrube diese höchst problematischen Substanzen «übersehen», obwohl Syngenta z.T. an Arbeiter Entschädigung wegen Blasenkrebs bezahlt.

BASF, Novartis und Syngenta wollen in Muttenz möglichst billig sanieren. Dies zeigt der Bericht der Burmeier-Ingenieurgesellschaft (BIG), den BASF in Auftrag gab und den ADM heute veröffentlicht. Es ist offensichtlich: Die drei Konzerne wollen auf Zeit spielen, obwohl sie die Chemiemülldeponie Feldreben schon seit über zehn Jahren untersuchen. Sie wollen das Problem auch jetzt nicht lösen, sondern auf zukünftige Generationen verschieben.

Propagandistische Tricks anstatt wissenschaftliche Arbeit

Um nicht handeln zu müssen, zögern die drei Konzerne auch nicht, propagandistische Tricks über wissenschaftliche Methoden zu stellen. Sie behaupten, es sei unklar, wo die gemäss Industrieangaben 14’000 bis 25'000 Tonnen Chemiemüll liegen. Sie behaupten sogar, 80% der Schadstoffe seien aus der Grube ausgetreten und fast nicht rückholbar im Fels eingeschlossen. «Diese Zahl ist nicht haltbar. Es gibt keine wissenschaftliche Methode, um sie festzulegen», stellt dazu Prof. Walter Wildi, Geologe an der Uni Genf und ADM-Experte fest. «Eine Menge Chemiemüll liegt noch immer in der Grube. Das zeigen die Analysen. Mit gutem Willen lässt er sich entfernen», betont Wildi. Das wollen BASF, Novartis und Syngenta verhindern. Sie versuchen, in Muttenz mit fragwürdigen Behauptungen von zahlreichen verbotenen Insektiziden sowie von Schadstoffen abzulenken, die beim Menschen Krebs erzeugen und die bei der Feldrebengrube im Grundwasser gefunden, aber nicht weiter beachtet worden sind.

Grenzwerte für Problemstoffe aus Monthey in Muttenz verheimlicht

In Monthey (VS) haben Ciba (heute BASF) und Syngenta für einige dieser extremen Gifte Grenzwerte gemäss Altlastenverordnung herleiteten lassen. Nun müssen BASF und Syngenta die Chemiemülldeponie im Wallis ausgegraben. Vermutlich um Ähnliches in Muttenz zu vermeiden, brachten die Konzerne ihre Erkenntnisse aus Monthey bei der Feldrebengrube nicht ein. Deshalb veröffentlicht ADM heute diese verheimlichten Grenzwerte. Sie zeigen: Die Monthey-Grenzwerte sind z.T. auch in Muttenz überschritten. Bei der Feldrebengrube aber wurden diese gefährlichen Substanzen «übersehen» Verhalten.«Dieses verhalten ist Konzernen wie BASF, Novartis und Syngenta nicht würdig», kommentiert Matthias Wüthrich von Greenpeace.

Industrie «übersieht» Schadstoffe, für die Syngenta wegen Blasenkrebs bezahlt

Auf diesen Grenzwert-Listen aus Monthey taucht auch 5-CAT auf. Das ist eine höchst kritische Substanz, für die Syngenta in den USA und in Monthey wegen Blasenkrebs Entschädigungen an Arbeiter zahlt. Mit 5-CAT hat Ciba in den 1950er-Jahren zahlreiche Pigmente und später das inzwischen verbotene Insektizid Galecron produziert. Weil ihre Vorgänger 5-CAT intensiv verwendet haben, liessen Novartis, Syngenta und BASF bei den Elsässer Deponien 5-CAT suchen – und wie in Monthey (VS) haben sie auch im Elsass 5-CAT gefunden. In Muttenz schenkten BASF, Novartis und Syngenta aber solchen Risiko-Substanzen, die beim Menschen Krebs auslösen, beim Embryo Fehlbildungen bewirken und/oder das Erbgut verändern, keinerlei Beachtung. «Die Gefahr für das Trinkwasser von über 230'000 Menschen in Stadt und Agglomeration Basel darf nicht länger in Kauf genommen werden. Wir verlangen deshalb von BASF, Novartis und Syngenta, dass sie in Muttenz wirklich aufräumen», sagt Mirjam Ballmer, Co-Präsidentin der Grünen Basel-Stadt. Und Matthias Wüthrich von Greenpeace ergänzt: «Sie müssen es in Muttenz genau so machen, wie sie es in Bonfol (JU), Kölliken (AG) und Monthey (VS) tun müssen sowie in Hagenthal und Neuwiller im Elsass getan haben. Novartis macht es ausserdem in Huningue (F) und Roche in Grenzach (D). Also muss der Chemiemüll auch in Muttenz endlich aus dem Boden, auch wenn es die Industrie wie an den anderen Orten 600 bis 700 Millionen kostet.»

ADM fordert:

  • Eine Anpassung der Sanierungsvorgaben: Sie sollen sich – wie es die Altlastenverordnung vorschreibt – an der tatsächlichen Belastung des Grundwassers bei der Feldrebengrube orientieren und auch die extremen Risiko-Substanzen einschliessen, für die die Industrie in Monthey (VS) Grenzwerte hergeleitet hat.
  • Einbezug der Trinkwasserbrunnen: Die der Feldrebengrube benachbarten Trinkwasserbrunnen müssen als «Grundwasserfassungen öffentlichen Interessens» in die Sanierungsüberlegungen einbezogen werden, wie es die Altlastenverordnung vorschreibt. Denn der Chemiemüll von BASF, Novartis und Syngenta gefährdet oder verschmutzt Trinkwasser von 230'000 Menschen in der Region Basel.
  • Jetzt eine definitive Lösung für die Feldrebengrube: eine rasche, einmalige und vollständige Sanierung der Chemiemülldeponie Feldreben auf Kosten der Verursacher.

Hintergrundpapier zur ADM-Medienkonferenz vom 29.4.2013

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